Fachagentur Nachwachsende RohstoffeEin Projektträger des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft

 

FNR-Pressemitteilung

Ein gleiches Maß für Alle – Mit einem optimierten Emissionshandelssystem Energiewende und Klimaschutz kosteneffizienter fördern

Forscherteam um Professor Gernot Klepper entwickelt neues System für den EU-Emissionshandel, das Erneuerbare, alle Treibhausgase und komplette Wertschöpfungsketten umfasst

Ist es möglich, die heutige Vielzahl klimapolitischer Instrumente und Fördermaßnahmen für die Energiewende durch ein einfaches Instrument zu ersetzen, das alle Energieträger erfasst und volkswirtschaftlich günstiger wäre? Dies will ein Wissenschaftler-Team unter Koordination des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) der Universität Kiel untersuchen. Konkret prüfen die Forscher, ob ein erweitertes Handelssystem mit Emissionsrechten für Treibhausgase solch ein einfaches, konsistentes und kosteneffizientes System sein könnte.

Das bis Ende 2018 laufende Vorhaben wird vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über den Projektträger Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) gefördert. Weitere Informationen stehen auf fnr.de unter dem Förderkennzeichen 22400716 zur Verfügung. Neben dem IfW sind die Beratungsfirma Meo Carbon Solutions und das Institut für Völkerrecht und Europarecht der Universität Göttingen als Auftragnehmer des IfW beteiligt.

Die Forscher wollen eine Erweiterung des existierenden Europäischen Emissionshandelssystems (EU-ETS) um die folgenden Parameter untersuchen:

  • Es sollen alle Emittenten von Treibhausgasen erfasst werden, also neben den fossilen auch alle erneuerbaren Energieträger sowie alle Anlagengrößen.
  • Es sollen alle Treibhausgase erfasst werden, also neben CO2, FCKW und NOx auch Methan.
  • Es sollen alle Emissionen eines Produktes, z. B. einer kWh Strom oder Wärme, entlang der kompletten Wertschöpfungskette zur Herstellung dieses Produktes erfasst werden.

Aktuell beachtet das EU-ETS nur die Emissionen großer Verbrennungsanlagen ab 20 MW und die des innereuropäischen Luftverkehrs. Alle anderen Bereiche, zum Beispiel kleine fossile Wärmeerzeuger, die auf dem Wärmemarkt dominieren, oder der gesamte Straßenverkehr, werden nicht erfasst. Das künftige, als EU-ETS+ bezeichnete System würde hingegen alle Anlagengrößen und alle Energieträger berücksichtigen. Wie beim aktuellen EU-ETS auch würden im EU-ETS+ wirtschaftliche Aktivitäten, die mit Treibhausgas(THG)-Emissionen verbunden sind, mit den externen Kosten dieser Emissionen belastet, indem die Verursacher Emissionsrechte vorweisen müssen, die sie auf dem Markt kaufen. Aufgrund ihrer geringeren Emissionen hätten die erneuerbaren gegenüber den fossilen Energieträgern dann automatisch einen Vorteil. Es würde aber auch der Wettbewerb der erneuerbaren Energien untereinander gefördert. Eine Übersubventionierung fände nicht mehr statt, weil alle Energien mit dem gleichen neutralen Maß gemessen würden: ihrer Emissionsvermeidung. Die bisherige Förderung erneuerbarer Energien hat hingegen nach Ansicht der Forscher zu Verzerrungen und volkswirtschaftlich zu hohen Kosten geführt. So schätzen sie, dass allein das EEG im Jahr 2012 eine Überförderung von 16,4 Milliarden Euro verursacht hat. Betreiber von PV-Anlagen hätten 2013 mehr als doppelt so hohe EEG-Vergütungen erhalten wie die Betreiber von Biomasseanlagen, obwohl diese in Summe mehr CO2-Äquivalente vermieden hätten.

Aktuell berücksichtigt der Emissionsrechte-Handel außerdem nur CO2-, FCKW- und NOx-Emissionen. Ein EU-ETS+ würde auch Methan einbeziehen. Damit können klimarelevante Methanemissionen, z. B. die Emissionen von BHKW-Motoren, entsprechend ihrer Klimawirksamkeit erfasst werden.

Schließlich betrachtet der derzeitige EU-ETS nur die Emissionen auf der letzten Wertschöpfungsstufe, nicht die der vorgelagerten Herstellungskette. Würde man ihn in dieser Form auf erneuerbare Energien ausdehnen, wären zum Beispiel Biogasanlagen auf Energiepflanzenbasis bevorteilt, da die mit Anbau und Ernte verbundenen, vergleichsweise hohen Emissionen außen vor blieben. Holz-Biomasse im Wärmemarkt, deren Herstellungskette deutlich geringere Emissionen verursacht, wäre benachteiligt. Eine ineffiziente und nicht-nachhaltige Landnutzung und ein nicht optimaler Einsatz des knappen Energieträgers Biomasse wären die Folge. Ein EU-ETS+-System soll deshalb alle Wertschöpfungsstufen einbeziehen, was natürlich auch für die fossilen Energieträger gelten würde. Derzeit werden die mit der Förderung und dem Transport von Erdöl, Kohle & Co. verbundenen THG-Emissionen nur teilweise erfasst. Die Forscher gehen davon aus, dass sich eine solche Anpassung des Emissionshandels deutlich positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit der erneuerbaren Energien auswirken würde.

Die Grundvoraussetzung für ein funktionierendes EU-ETS und  ein EU-ETS+ gleichermaßen ist allerdings, dass die bisherigen grundlegenden Mängel wie die zu geringen Preise für die Emissionsrechte bzw. die zu großen Mengen an Emissionszertifikaten auf dem Markt korrigiert werden. Aktuell sind die Preise so niedrig, dass von ihnen keinerlei Einsparungs-Anreize ausgehen.

Die Forscher untersuchen in dem Vorhaben, wie das neue EU-ETS+ im Detail ausgestaltet sein müsste und wie der Übergang vom heutigen zum künftigen System aussehen könnte. Auch die rechtlichen Aspekte werden betrachtet. Das Projektteam untersucht außerdem die möglichen Auswirkungen des neuen EU-ETS+ auf den Welthandel: Da es ein System wie den EU-ETS in vielen anderen Ländern außerhalb Europas nicht gibt, müssten Wettbewerbsverzerrungen bei Produkten vom oder für den Weltmarkt korrigiert werden.

Übergeordnetes Ziel ist es, die Einsparung von CO2-Äquivalenten zu den volkswirtschaftlich günstigsten Kosten, auch als CO2äqu-Vermeidungskosten bezeichnet, zu realisieren. Perspektivisch müssten dafür auch andere THG-Emittenten wie Landwirtschaft und Nahrungsmittelerzeugung sowie andere Einsparungsmaßnahmen, wie zum Beispiel der Holzbau, einbezogen werden. Nur dann würden sich die volkswirtschaftlich effizientesten Maßnahmen herauskristallisieren. Dies könnte Gegenstand eines künftigen EU-ETS++ sein.
 
Pressekontakt:
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V.
Nicole Paul
Tel.: +49 3843 6930-142
Mail: n.paul(bei)fnr.de

PM 2017-10

Bild: iStock/Tick-Tock

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