Fachagentur Nachwachsende RohstoffeEin Projektträger des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft

 

FNR-Pressemitteilung

Globale Ernährungssicherung mit energetischer und stofflicher Biomassenutzung auch langfristig vereinbar

Aktuelle Studie der Universität Hohenheim prognostiziert in einem Zwischenbericht unter der Prämisse nachhaltiger Produktivitätssteigerungen auch langfristig deutlich höhere Biomassepotenziale als bislang angenommen

Die Hohenheimer Wissenschaftler um die Professoren Zeddies und Bahrs gehen in ihren jetzt vorgestellten Zwischenergebnissen der Studie „Globale Analyse und Abschätzung des Biomasse-Flächennutzungspotenzials“ davon aus, dass unter Berücksichtigung der zukünftigen Konsumgewohnheiten und der Bevölkerungsentwicklung der Flächenbedarf für die Nahrungsmittelproduktion in Deutschland und Europa langfristig zurückgehen wird, selbst wenn die Nahrungsmittelexporte als Beitrag zur Sicherung der Welternährung gesteigert werden. Das schafft Perspektiven für die Biomassenutzung sowohl für energetische als auch stoffliche Verwendungen, ohne dafür schützenswerte Naturflächen zu beeinträchtigen. Die Erstellung der Studie wird vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) unterstützt.

Kritisch hinterfragen die Wissenschaftler die Ergebnisse und Schlussfolgerungen der von der EU-Kommission in Auftrag gegebenen IFPRI-Studie.

Schon heute könne der Anbau nachwachsender Rohstoffe in Deutschland nach Einschätzung der Wissenschaftler knapp verdoppelt werden, ohne das Ziel einer ausreichenden Nahrungsversorgung aus den Augen zu verlieren. Die Wissenschaftler kommen in der Studie zu der Einschätzung, dass langfristig (2050) bei der Fortschreibung gegenwärtiger Entwicklungstrends in Deutschland sogar bis zu 7,5 Mio. Hektar für den Non-food-Anbau zur Verfügung stehen könnten, selbst wenn zusätzlich 2,4 Millionen Hektar für Nahrungsmittelexporte zur Sicherung der Welternährung verwendet würden. Gestützt auf die Modellrechnungen in den realitätsnahen Szenarien könnten auch global die Biomassenutzungsflächen in 2050 auf rd. 200 bis 300 Millionen Hektar ansteigen und gleichzeitig die zur Ernährungssicherung notwendige Flächengrundlage aufrecht erhalten werden.

Die Modellrechnungen ermitteln „technische Flächenpotenziale“, das heißt, bei unvorhersehbaren, den Trends deutlich zuwiderlaufenden Marktentwicklungen und ungünstigen Rahmenbedingungen für nachwachsende Rohstoffe können die „wirtschaftlichen Potenziale“ weit hinter den technischen zurückbleiben.

Nachhaltige Produktivitäts- und Effizienzsteigerungen, aber auch die In-Kulturnahme von Brachflächen sind der Schlüssel, um die Konkurrenz der Ansprüche an die landwirtschaftlichen Nutzflächen langfristig in vertretbaren Grenzen zu halten. Dazu analysieren die Autoren die Situation in den einzelnen Regionen der Welt sehr detailliert. Während für Europa, Nord- und Südamerika große Potenziale bestehen können, sehen sie in Teilen Afrikas, Asiens und in Mittelamerika langfristigen Importbedarf für Nahrungsmittel und kaum Möglichkeiten für den Energiepflanzenanbau. Nicht zuletzt deshalb warnen die Forscher vor rein lokalen Betrachtungsweisen und leiten Anforderungen für die globale Ernährungssicherung ab. Ihnen zufolge muss eine Abschätzung der Biomassenutzungs-Potenziale auch die wettbewerbsfähigen Agrarexporte in jene Regionen berücksichtigen, in denen die landwirtschaftlichen Produktivitätszuwächse nicht für die Ernährungssicherung ausreichen werden.

Voraussetzungen für eine „Hebung“ der Potenziale sind verlässliche politische Rahmenbedingungen für Investitionen in die unterschiedlichen Biomassenutzungs-Linien, die bei nachhaltiger Herstellung eine höhere Effizienz, wirtschaftliche Vorteile und eine bessere Ausschöpfung der Produktionspotenziale auf den verfügbaren Flächen sicherstellen.

Die IFPRI-Studie, von der EU-Kommission in Auftrag gegeben und für deren politische Entscheidungen maßgeblich herangezogen, wird von den Hohenheimer Wissenschaftlern bezüglich deren Annahmen kritisch hinterfragt. Insbesondere vor dem Hintergrund der Diskussion um indirekte Landnutzungsänderungen durch Biokraftstoffe kommt die Hohenheimer Studie zu dem Ergebnis, dass „ein Verzicht auf die Bioenergieproduktion - in Deutschland und der EU - oder eine Herabsetzung der Ziele kein Weg aus dem Dilemma“ wäre.

Im Kontext dieser Erkenntnisse plädiert FNR-Geschäftsführer Dr.-Ing. Andreas Schütte dafür, die aufgeregte Diskussion der letzten Wochen um die Biomassenutzung, insbesondere im energetischen Bereich, wieder zu versachlichen: „Ohne den Ausbau der Biomassenutzung sind die Energiewende und die zukünftig ebenfalls erforderliche Substitution von fossil-basierten Grundstoffen durch biobasierte Materialien in Deutschland nicht zu schaffen. Die Studie zeigt, dass die heimische Land- und Forstwirtschaft uns und viele andere Menschen ernähren und gleichzeitig bedeutende Biomassemengen für energetische und stoffliche Nutzungen auf der Grundlage von Ackerkulturen, Holz und organischen Reststoffen erzeugen kann.“ Der Zwischenbericht „Globale Analyse und Abschätzung des Biomasse-Flächennutzungspotenzials“ von Prof. Dr. Drs. h.c. Jürgen Zeddies, Prof. Dr. Enno Bahrs, Dr. Nicole Schönleber und Dipl. Ing. (FH) Wilhelm Gamer steht unter https://www.uni-hohenheim.de zur Verfügung und soll im Rahmen einer BMELV-Fachveranstaltung im Frühjahr 2013 in Berlin diskutiert werden.

 

Pressekontakt:

Dr. Torsten Gabriel
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR)
OT Gülzow
Hofplatz 1
18276 Gülzow-Prüzen
Tel.: 03843 6930-117
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Mail: t.gabriel(bei)fnr.de 




Nr. 2012-53

 

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Quelle: FNR/Z. Hajkova

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